Vorsingen, der Blog für die letzten 100 Meter auf dem Marathon zur Professur

Nicht auf der Berufungsliste: Drei Strategien zum Umgang mit dem Misserfolg

Es hat – trotz aller Vorbereitungen – nicht geklappt, andere haben einen der begehrten Listenplätze für eine ausgeschriebene Professur ergattert. Sie sind nicht unter den ersten drei. Strategien, um neue Energie für die nächste Runde zu sammeln, finden Sie hier!

Wie kann ich persönlich und strategisch mit einer Absage umgehen?

Häufig braucht es mehrere Einladung zum Vorsingen, bis dann endlich ein Ruf auf eine Professur kommt. Unerfreulicher Fakt ist leider auch, dass nicht alle formal Qualifizierten irgendwann Professor*in werden, es also keine Garantie gibt, dass all die Mühen letztlich zum Erfolg führen.

Und dann gibt es auf der anderen Seite wirklich diese Wissenschaftler*innen, die sich parallel auf vier Professuren bewerben und gleich vier Rufe erhalten. Aber das sind Ausnahmen und viel wahrscheinlicher ist, dass es einige Versuche braucht, bis eine Bewerbung dann erfolgreich ist.

Wenn am Ende eines Berufungsverfahrens die Berufungsliste bekannt wird, ist es ganz unterschiedlich, wie Bewerber*innen mit einer Absage umgehen.

Wie reagieren Menschen darauf, nicht die Nummer eins, zwei oder drei auf der Berufungsliste zu sein?

Manche machen einfach den berühmten Haken dran, schütteln sich sinnbildlich einmal und fokussieren sich dann auf andere Pläne oder Bewerbungsverfahren.
An anderen aber nagt es und sie brauchen einige Zeit, um die Enttäuschung zu verarbeiten. Auch stärkere Emotionen sind hier bisweilen mit im Spiel: Manche fühlen sich unfair behandelt und sind verärgert über den Umgang der Berufungskommission mit den Bewerber*innen. Bei einigen läuft die Vorstellungssituation immer wieder vor dem inneren Auge ab und sie machen sich Vorwürfe, nicht noch souveräner oder fachlich versierter aufgetreten zu sein. Selbstzweifel oder das Gefühl, sich womöglich vor der Community lächerlich gemacht zu haben, gehen damit manchmal einher.

Glücklicherweise muss das nicht so bleiben. Hier einige Vorschläge, was Sie tun können, um mental stabil und strategisch besser aufgestellt aus den Berufungsverfahren herauszugehen, auch wenn es diesmal nicht Platz eins und vielleicht auch nicht Platz zwei oder drei geworden ist.

Strategie 1: Lesson learned: Die Erfahrung nutzen, um sich fürs nächste Mal vorzubereiten

Dieser Ansatz basiert darauf, aus Erfahrungen zu lernen.
Sprechen Sie das Erlebte und Ihre Präsentation nochmal mit einer Person Ihres Vertrauens durch: Was ist gut gelaufen, womit konnte ich punkten? Was könnte ich bei einer weiteren Bewerbung zusätzlich berücksichtigen, anders gewichten oder besser vorbereiten?

Was lief gut, was kann beim nächsten Berufungsverfahren noch verbessert werden?

Vielleicht hatten Sie z.B. ein sehr durchdachtes Forschungskonzept eingereicht, aber waren wenig auf Fragen zu möglichen Kooperationen vorbereitet. Jetzt sind Sie um eine Erfahrung reicher: Lesson learned, beim nächsten Mal recherchieren Sie gründlicher, mit welchen Personen oder Forschungsverbünden sich eine Zusammenarbeitet anbietet.

Was liegt innerhalb meines Einflussbereiches? Und was auch nicht?

Nicht ganz einfach, aber sehr wichtig ist es zudem, genau zu unterscheiden: Was lag im Rahmen der Vorbereitung und des Vorsingens innerhalb meines Einflussbereiches, was aber vielleicht auch nicht? Nachdem Sie das für sich bilanziert haben, können Sie nun überlegen, an welchem Schräubchen innerhalb Ihres Einflussbereiches Sie beim nächsten Mal noch drehen können. Wen können Sie noch um Rat bitten, um z.B. zu einem Forschungskonzept noch Feedback zu erhalten? Auf welche Themen möchten Sie sich noch genauer vorbereiten? Brauchen Sie noch (professionelle) Unterstützung um die Aufregung zu minimieren?
Und genauso wichtig ist es auch festzustellen, was sich eben nicht beeinflussen und vorbereiten lässt. Und das ist nicht wenig. So kann es z.B. sein, dass die Kommission nicht gut miteinander harmoniert und sich dies auf die Auswahl auswirkt. Es liegt eben nicht alles in Ihrer Hand.

Nüchterne Auswertung ohne Selbstvorwürfe

Werten Sie also die Gesamtsituation nüchtern aus. Selbstvorwürfe blockieren nur die Energie, die Sie ansonsten gut für die Vorbereitung der nächsten Bewerbung nutzen können.

Strategie 2: Abhaken und weitermachen: Mentale Strategien aus dem Leistungssport

Oft merkt man schon in der Bewerbungssituation, dass es hakt oder nicht ganz rund läuft. Vielleicht haben Sie sich immer wieder verhaspelt oder auf kritische Fragen wenig souverän reagiert? Oder Sie standen ein bisschen neben sich und waren nicht ganz so präsent wie sonst während einer Präsentation?

Zu massive Selbstkritik schwächt

Wir haben alle solche Tage, das kommt vor. Innere Vorwürfe oder gar Selbsthass machen es im Nachhinein nicht besser… Sie machen es sogar schlechter, denn zu große und vor allem wenig konstruktive Selbstkritik schwächt uns nachhaltig.

Vom (Leistungs-)Sport lernen: Misserfolge in positive Energie umwandeln

Hilfreich können hier mentale Strategien sein, über die oftmals Wissenschaftler*innen verfügen, die aus dem (Leistungs)-Sport kommen. Erfolgsversprechend ist die Fähigkeit, Misserfolge in positive Energie umzuwandeln oder eben einfach die Vergangenheit Vergangenheit sein zu lassen und sich auf den nächsten Schritt zu fokussieren.

Ein schönes Beispiel dafür ist das Zitat des Fußballers Benjamin Stambouli nach dem 8:0 zum Saisonauftakt 2020 im Spiel FC Bayern München gegen Schalke 04: „Es hat vieles nicht funktioniert, und vieles hat den Bayern in die Karten gespielt. Das Ergebnis tut uns weh. Ich weiß, das Ergebnis ist schlecht von uns. Aber wir haben die Mentalität“ ... „Jetzt geht der Blick nach Bremen. Wir haben gegen eine super Mannschaft gespielt. Wir müssen dazu lernen, das ist auch eine Erfahrung für uns. Wir müssen nach vorne gucken. Wir spielen Fußball, um zu gewinnen und Spaß zu haben.“

Okay, wahrscheinlich gehen Sie nicht ins Vorsingen, um dabei Spaß zu haben, aber es geht hier ja wirklich – und das ist vielleicht ungewohnt – ums Gewinnen, darum auf Platz eins zu kommen. Vielleicht ist es tröstlich zu realisieren, dass Sie bereits mit der Einladung zum Vorsingen ganz eindeutig in die Wissenschaftler*innen-Bundesliga aufgestiegen sind. Sie gehören zu den Besten in Ihrem Gebiet und es geht jetzt nur noch um den letzten Schliff für die nächste Runde und den inneren Kick, es aufs Neue zu versuchen.

Strategie 3: Sich innerlich unabhängig machen

Vielleicht hat man Sie nicht so gut behandelt, es gab unsachliche Angriffe: „Trauen Sie sich als Frau wirklich zu, stundenlang im Katheterlabor zu stehen?“, „Das haben Sie doch nicht selbst geschrieben, da hat Ihnen doch jemand geholfen“. (Ja, das gibt es noch, auch in diesem Jahrtausend, aber keine Sorge, die sehr professionell geführten Auswahlverfahren sind deutlich in der Überzahl!)

Unsachliche Angriffe intendieren, das Gegenüber „kleiner“ werden zu lassen.

Interventionen dieser Art führen dazu, dass sich manche Leute in der Vorstellungssituation fühlen, wie in einer Prüfung und weniger in einem Gespräch auf Augenhöhe zwischen möglichen künftigen Kolleg*innen. Solche Erfahrungen können in neuen Bewerbungssituation dazu führen, mental in das gleiche Gefühl zu rutschen, obwohl die Situation vielleicht ganz anders ist. Unsere Psyche kann nicht gut zwischen Vergangenheit und Gegenwart unterscheiden, alte Emotionen können neues Erleben überlagern. Es ist daher außerordentlich wichtig, für sich einen Weg zu finden, innerlich erwachsen und nicht als Prüfling in die Bewerbungssituation zu gehen. Hierfür gibt es verschiedene Möglichkeiten, manche allerdings brauchen den Rahmen eines Coachings.

Auf eigene Stärken und Leistungen fokussieren

Hilfreich ist hier in jedem Fall sich zunehmend unabhängiger von der Bewertung anderer zu machen. Wie kann das gehen? Zum Beispiel, indem Sie sich Ihre Stärken bewusst machen. Was haben Sie bisher erreicht, worauf sind Sie stolz? Was ist Ihnen im Leben abgesehen von einer Professur wichtig? Das alles kann Ihnen niemand nehmen und bleibt bestehen, egal ob Sie Professor*in werden oder nicht. Überlegen Sie auch, was Sie aktiv tun werden, wenn Sie keinen Ruf erhalten. Je mehr Sie sich innerlich von dem Druck befreien, eine Stelle unbedingt haben zu wollen, desto weniger verwundbarer sind Sie.

Schwierige Phasen gut bewältigen: Hier gibt es Unterstützung auf dem Weg zur Professur

Wenn Sie Unterstützung brauchen, weil es Ihnen schwerfällt eine schwierige Vorstellungssituation aufzuarbeiten oder Sie sich gründlich auf das nächste Vorsingen vorbereiten möchten, wenden Sie sich gerne an mich. Wir arbeiten gemeinsam daran, so dass Sie entlastet und mit frischer Energie in die nächsten Anhörungen gehen können.

© Franziska Jantzen, entwicklungen 2022
Foto: epert / Photocase.de

16.08.2022

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