Vorsingen, der Blog für die letzten 100 Meter auf dem Marathon zur Professur

Eine Berufungskommission fragt: Ist die junge Generation in der Medizin nicht mehr leistungbereit?

Ich wurde kürzlich von einer Bewerberin in der Medizin um Rat gebeten. Sie wurde im Auswahlgespräch für einen Professur gefragt, wie sie mit der wenige leistungsbereiten Generation in der Medizin umgehe. Vorschläge zum Umgang mit dieser tricky question habe ich als Dr. acad Sommer am 5.2.2024 im Newsletter Wissen3 der ZEIT zusammengestellt.

Liebe Frau Dr. acad. Sommer,

ich habe mich auf eine Professur in der Medizin beworben und wurde im Auswahlgespräch völlig überraschend gefragt: Wie gehen Sie mit der sehr eingeschränkten Leistungsbereitschaft der jüngeren Generation von Mediziner*innen um? Wie kann ich auf so eine Frage gut antworten?

Liebe X,
diese Frage fällt definitiv in die Abteilung: Tricky Question. Sie steht für den Veränderungsdruck und die aktuell sehr herausfordernden Rahmenbedingungen der Universitätsmedizin: Hervorragende Medizin und Spitzenforschung stoßen an ihre Grenzen in einem teils erodierenden System. Der Mangel an Pflegekräften, unterbesetzte Stationen, zu hoher Verwaltungsaufwand und die schwierige Finanzsituation belasten den Arbeitsalltag erheblich. Das gilt auch für die oft überkommenen hierarchische Strukturen, mit wenig Wertschätzung und kaum Frauen in Führungspositionen. Akademischer und medizinischer Erfolg wird nur unter sehr hohem persönlichen Einsatz erreicht.

Nicht selten gilt hier der Arbeitsethos: Wer erfolgreich sein will, muss mindestens 200% leisten. Und diese Kultur trifft nun auf eine Generation, die häufig nicht mehr bereit ist so zu arbeiten. Die sich Familienfreundlichkeit, Flexibilität, Support in der eigenen Entwicklung und flache Hierarchien nicht nur heimlich wünscht, sondern konkret einfordert.

Um für diese – zugegeben sehr zugespitzt formulierte – Situation gute, zukunftsfähige Lösung zu finden, sind viele gefragt. Sie allein als künftige Professorin werden das nicht stemmen können. Aber darum geht es einer Berufungskommission auch gar nicht. Wichtiger ist vielmehr zu zeigen, welche Haltung Sie zu diesem Thema haben und wie Sie selbst als Führungskraft agieren.

Meine Empfehlung: Vermeiden Sie das Bashing der Generation Z aber bagatellisieren Sie das Problem auch nicht. Zeigen Sie auf, welche konkreten Maßnahmen innerhalb Ihres künftigen Einflussbereichs möglich sind. Auch kleine Schritte können viel bewegen.

Hier einige Impulse:

• Schauen Sie differenzierten auf Ihr Fachgebiet:
Geht es hier wirklich um die Leistungsbereitschaft der gesamten jüngeren Generation oder vielleicht doch eher um notwendige Veränderung von Rahmenbedingungen und angepasste Formen der Kommunikation?

• Würdigen Sie die Kommission für die Thematisierung dieses brisanten Problems und äußern Sie Verständnis für beide Seiten.

• Falls Sie bereits kleinere Initiativen oder größere Projekte in diesem Feld umgesetzt haben, beschreiben Sie: Was wirkt, wo läuft es gut, welche Ansätze haben Sie bereits kennen gelernt, was haben Sie bereits durch Ihr aktives Handeln erreicht?

• Welche Vorschläge haben Sie für den neuen Standort ganz konkret? Welche Instrumente braucht es, um Arbeit fairer zu verteilen, Rotationen transparent und nachvollziehbar zu planen und mehr Wertschätzung und Flexibilität zu etablieren?

• Welche Unterstützung brauchen Sie dabei von Klinik und Fakultät? Vielleicht werben Sie auch Mittel für Modellprojekte ein, sei es zur Entlastung des Personals durch Digitalisierung, Mentoring, Supervision oder um mit neuen Arbeitszeit- oder Leitungsmodellen zu experimentieren. So sorgen Sie auch für einen erheblichen Standortvorteil im Wettbewerb um gutes und motiviertes Personal.

Mit all dem zeigen Sie der Berufungskommission, Ihre Fähigkeit in komplexen Situation handlungsfähig zu sein. Nicht nur als Medizinerin und Wissenschaftlerin, sondern eben auch als Führungskraft und Manager*in in der Leitung einer Klinik oder Abteilung.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg!

Franziska Jantzen ist Coach und Karriereberaterin im Wissenschaftsbereich. Sie informiert auf „Vorsingen, dem Blog für die letzten 100 Meter auf dem Marathon zur Professur“ über die Fallstricke von Berufungsverfahren. In ZEIT WISSEN3 berät sie die Scientific Community als" Dr. acad. Sommer". https://jantzen-entwicklungen.de/blog

Auch eine Frage an Dr. acad. Sommer? Schreiben Sie an wissendrei@zeit.de, twittern Sie unter #Wissen3 – oder hinterlassen Sie uns in diesem Kontaktformular anonym Ihre Frage!

Foto: David-W Photocase.de
(c) Franziska Jantzen

28.03.2024

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